Lieber Mattes,

natürlich gehts dir nicht alleine so. Das Dilema trifft alle die sich um möglichst naturnahe Gewässer und vernünftige Hege bemühen. Je intensiver wir uns mit der Materie beschäftigen umso mehr wächst das Verständnis für und auch wieder das Interesse an den Vorgängen in der Natur.

Gleichzeitig haben aber unsere "normalen Angler" (scheiß Bezeichnung, vor allem weil es den Angler nicht gibt, aber mir fällt nichts besseres ein) ganz andere Interessen. Sei es nun viel fangen, große fangen... egal wo die Fische herkommen. Je länger wir uns mit der Hege beschäftigen umso mehr entfernen wir uns vom normalen Angeln. Wir erkennen immer mehr Mißstände und werden uns immer mehr unsere eigenen Hilflosigkeit bewußt.

Einer meiner Amtsvogänger hat schon vor Jahrzehnten versucht die Auswüchse (bei uns ist es speziell der Besatz) zu verhindern und mehr in die Pflege der Gewässer zu investieren. Er wollte das mit der Brechstange machen und ist komplett gescheitert. Er hat sich mit der Vorstandschaft überworfen und ist komplett ins "Lager der Naturschützer" gewechselt. Der Weg geht und steht jedem von uns offen. Ich hab nun guten Kontakt zu Ihm und auch schon mit ihm zusammengearbeitet bevor ich mich entschlossen habe als GW anzutreten. Also kannte ich die ganze Geschichte und wußte ganz gut worauf ich mich einlasse.

Ich hab mich persönlich dafür entschieden innerhalb der Fischerei mein möglichstes zu tun um die Situation zu verbessern. Allerdings nicht mit dem Kopf durch die Wand sondern ganz langsam Step by Step. Unsere Mitglieder mitkommen lassen. Natürlich heißt das, dass ich mit Sachen leben muss die ich nicht gut finde, aber ich denke dass der Weg für mich richtig ist.
Kleine Projekte, die niemanden wehtun, versuchen immer mehr Kameraden in die Arbeiten einzubinden... Kurz vertrauen aufbauen und gleichzeitig bei den Kameraden interesse wecken an den Vorgängen im Gewässer. Wenn ich jetzt versuchen würde die großen Sachen anzugehen z.B. Forellenbesatz einstellen, wär meine Arbeit schlagartig beendet. Dafür ist bei der Mehrheit der Mitglieder (noch) kein Verständnis da. Mir ist klar, dass der Weg lange ist, aber wie solls anders gehen. Die Mißstände haben sich über Jahrzehnte entwickelt das dauert mindestens genausolang das wieder zu drehen.

Als GW hast du die Möglichkeit wirklich was zu bewegen, wenn du den Krempel hinwirfst reduziert sich deine Einflußmöglichkeit deutlich. Dafür muss man als GW eben manche Kröte schlucken. Du kannst nicht innerhalb eines Vereins gegen die Interessen der Mitglieder arbeiten, das kann nicht klappen.

Versuch doch mal die Geschichte etwas lockerer anzugehen und vor allem (Achtung der einzige echt umsetzbare Tipp):

Nimm dir mal ein Wochenende Auszeit von der GW- Geschichte; geh einfach mal wieder ganz naiv ein oder zwei Tage Angeln, und zwar ohne Messgeräte und den ganzen Schnickschnack, am besten an ein Gewässer das dich nichts angeht. Das macht den Kopf wieder frei. Dann kannst du dir überlegen ob du dirs als GW im Verein so einrichten kannst, dass es dir Spaß macht und auch deine Kameraden mit deinen Spinnereien leben können.

Petri
Toni