Nabend,
Tja, wo anfangen?
Zuerst bezeichnest Du den Kniescheibensehnenreflex als reflexhafte Reaktion (richtig), danach im weiteren als typische Schmerzreaktion (falsch).
Was nun?Der Patellarsehnenreflex ist eben ein Reflex, also eine Schreckreaktion auf einen von außen einwirkenden Taktilreiz. Das hat überhaupt nichts mit möglichem Schmerzempfinden zu tun.So ist es.ich verstehe Thorsten in seiner Ausführung so, dass er ja gerade darauf hinweist, dass es eben keine Schmerzreaktion ist, sondern nur vom Beobachter so wahrgenommen wird.
Soll das heißen, für einen Fluchtreflex kann es keine andere Ursache als Schmerzempfinden geben? Warum flüchten Fische dann vor Räubern bevor sie gebissen wurden?Woraus sollte der Fluchtreflex der getäuschten Patienten resultieren, wenn nicht aus einer Schmerzerfahrung heraus
Für die Reaktion nicht, für die Schmerz"empfindung" schon eher.Thorsten hat geschrieben, das der Neocortex zur Verarbeitung des Schmerzempfinden erforderlich ist, das stimmt zwar, ist aber auch nicht ganz richtig, für eine Schmerzreaktion oder -empfindung benötigen wir ihn nicht.
Das Problem in dieser Diskussion beginnt aber schon früher. Alleine dass der Begriff Schmerz für jeden von uns mit selbst erfahrenen Gefühlen verbunden ist, macht uns schon unfrei bei der Benutzung des Wortes. Bis auf eine Minderheit für die das, was wir für Schmerzen halten, ein lustvolles Gefühl ist, decken sich unsere Empfindungen grob, wenn bspw. über Zahnschmerzen gesprochen wird weiß jeder was gemeint ist. Das Problem besteht darin, dass es für uns viel schwieriger ist sich vorzustellen, dass ein Lebewesen dem ein Haken ins Maul getrieben wird keinen "Schmerz" empfindet als anders herum. Daher auch oft die Verwunderung darüber, dass Fische im Drill offenbar keine Neigung zeigen, den "Schmerz" durch ihr Verhalten zu verringern. Oder lässt diese Beobachtung auch einen anderen Schluß zu?
Dem zufolge darf darüber diskutiert werden, ob Fische durch Schmerzen einen Lerneffekt erfahren und sie bestrebt sind, diese erlernten Situationen zu vermeiden, auch ein kontrovers diskutiertes ThemaNun putzen richtige Putzerfische ihre Klienten schon seit Millionen von Jahren und auch den falschen Putzerfisch gibt es. Dürfte es den denn geben, wenn es einen Lerneffekt geben würde? Hätte nicht grade der Lerneffekt dazu führen müssen, dass der falsche Putzerfisch nur einen sehr kurzen Auftritt auf der evolutionären Bühne haben müsste? Grade die Existenz von Verhaltensmustern, die nach unserer Erfahrung mit Schmerz nicht nachzuvollziehen sind, spricht doch gegen die Annahme, Fische empfinden Schmerzen so wie wir.Vergesslich sind sie aber, am nächsten Tag bekommen sie an einer richtigen Putzerstation von den kleinen richtigen Putzerfischen ihre Parasiten abgeknöpft.
Ich kenne diese Versuchsreihen in denen meine besondere Freundin in England so vorgegangen ist, dass verschiedene Chemikalien (z.B. Essigsäure) in hoher Konzentration in den Fisch eingeführt wurden und dann - Überraschung! - der Fisch eine Reaktion gezeigt hat. Mit dieser Art der Forschung kann ich nichts anfangen. Oder um es mit Thomas schwarzem Schwan zu sagen: wir sehen eine Reaktion auf eine massive Vergiftung und folgern daraus wissenschaftlich messerscharf, das ist nur auf Schmerz zurückzuführen. Man kann das ja gradezu am eigenen Leib verspüren...Tatsache ist, daß Fische sehr wohl ein eindeutiges "Meideverhalten" nach Schmerzreizen in Versuchsreihen gezeigt haben
Ich habe dieses Beispiel schon mal angebracht, egal: Wenn man einen Tümpel mit Fischen vor sich hat und schmeißt Steine in eine Ecke, dann werden die Fische, die sich eben noch dort aufgehalten haben, ein Fluchtverhalten zeigen. Warum, aus Schmerz? Für Flucht- und Meideverhalten gibt es viele Gründe die nichts mit Schmerzen zu tun haben. Da kann die Temperatur, die chemischen Gradienten, Schallwellen usw. Eine Rolle spielen. Unspezifische Reaktionen eine Ursache zuzuordnen kann schwierig sein. Wir sind dabei immer auf Mutmaßungen angewiesen und natürlich bietet es sich an, bei den Mutmaßungen zunächst auf den eigenen Erfahrungshorizont zuzugreifen. Das betrifft auch und grade die Begriffswahl.Jedenfalls läßt sich aus Fluchtverhalten und Meideverhalten durchaus ein sehr unangenehmes Gefühl ableiten
Vielleicht abschließend noch eine Beobachtung, die der ein oder andere auch schon gemacht hat:
Ein nach unseren Begriffen schwerst verletzter Fisch wird bei der "gemütlichen" Nahrungsaufnahme beobachtet oder geht gar auf den Haken. Sollte man da nicht ein ganz anderes Verhalten erwarten, wenn hier Schmerzen im Spiel sind? Wer von uns käme auf die Idee mit aufgeschlitzem Bauchfell den McDonalds um die Ecke zu besuchen oder mit durchgeknallter Zahnwurzel genüßlich ein Eis zu essen? Wenn wir für Fische in Anspruch nehmen, dass sie wie wir (oder zumindest ähnlich) empfinden, dürfen wir dann nicht mindestens erwarten, dass sie auch ähnliche Verhaltensmuster zeigen wie das z.B. Hund, Katze und Maus tun?
In der ganzen Diskussion finde ich den Schlußsatz aus Thomas verlinkter Zusammenfassung und weltlicher "Übersetzung" von Roses Arbeit zutreffend. Darauf konnten sich sogar Thomas und ich kürzlich am Telefon anläßlich eines Gesprächs über genau dieses Thema einigen:
"Angeln und Hältern ist für Fische nicht mit Schmerzen, wohl aber mit Stress verbunden. Dies sollten wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen. Ein Angler wird demzufolge den Stress für Unsere Mitkreatur so gering wie möglich halten."
Gruß Thorsten