Ich habe heute Antwort vom Umweltamt Dessau-Roßlau bekommen und bin erstmal positiv überrascht das es so schnell ging.
Hier mein Anschreiben und die Antwort von der Leiterin des Amtes Frau Dr.Kegler:
Sonntag, 24.08.2011
Sehr geehrte Frau Dr. Kegler,
am Donnerstag bekam ich per Mail von einem Wanderfischfreund diesen You Tube-Link vom Diepold in Dessau:
http://www.youtube.com/watch?v=mQXB1oq5mrE
Ich bin sicher, Sie sind genauso schockiert über diese Bilder wie ich.
Da ich mich in meiner Freizeit in Erfurt und Thüringen für den Schutz der Wildfische einsetze und mit 5 gleichgesinnten Freunden aus 4
Bundesländer ein gewässerökologisches Forum betreibe, habe ich dieses für die Öffentlichkeit zugängliches Video mit einem Beitrag in das Forum gesetzt.
Mir liegt nicht daran jemanden anzuprangern da dieses Fischsterben mit hundertprozentiger Sicherheit keiner gewollt hat.
Vielmehr bin ich an Ihrer Antwort stark interessiert, wie die Stadt Dessau-Rosslau in Zukunft so ein Fischsterben am Diepold auszuschließen bereit ist.
Folgende Fragen drängen sich mir auf.
- Gibt es Überlegungen oder bereits Pläne für eine Sanierung/Entfernung von Schlammablagerungen, da die Fische aus meiner Sicht unter einer geschlossenen Eisdecke bei Sauerstoffzehrung erstickt sind ?
- Haben Sie im Zuge der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie finanielle Hilfen des Landes ausgelotet, da der See nach Aussage einer Kollegin von mir, welche aus Dessau stammt, periodisch bei Hochwasser der Mulde überflutet wird ? In Thüringen würde ich bei der ähnlichen geografischen Lage eines Sees zum Fließgewässer 1. Ordnung bei der TLUG durchaus Chancen sehen.
- Gibt es Erkenntnisse über die Höhe der Schlammschicht und über Gewässerparameter vom Diepold ? Desweiteren wäre die Zusammenstellung der Fischzönose von Interesse. Z.B. Besatz von Karpfen, katadromen Wanderfischen und seltenen Fischarten.
Da ich schon oft in Dessauer Hotels übernachtet habe und die Stadt und das Umland schön und attraktiv finde, sind wir bestimmt einer Meinung, dass ein ökologisch intakter Diepold für die Lebensqualität der Bürger Ihrer Stadt von großem Interesse ist und so ein grausames Fischsterben nie wieder vorkommen darf. Und dass Sie als Leiterin des Amtes für Umwelt- und Naturschutz auch Anwältin der Wildfische sind, davon bin ich überzeugt.
Der Fairnis halber teile ich Ihnen mit, das ich meine Mail und Ihre Antwort zusammen im Forum veröffentliche und immer über Fortschritte
und positive/negative Veränderungen am Diepold die Lesergemeinde in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf den laufenden halte.
Zum Forum:
http://www.gw-forum.de/forum.php
Auf Ihre informative Stellungnahme und Feedback bin ich sehr gespannt und verbleibe mit freundlichen Grüßen aus Erfurt
Albert Dieter Schulz
Sehr geehrter Herr Schulz,
entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihnen erst heute antworte. Mir raucht nur zur Zeit der Kopf, weil wir gerade in der Übergabephase unseres neuen Tierheims sind und naturgemäß eine Menge Probleme auftreten.
Vielen Dank erst einmal für Ihre Nachricht und auch dafür, dass Sie uns die Möglichkeit geben, Ihnen und allen Nutzern Ihres gewässerökologischen Forums die Situation zu erläutern..
Das Gewässer Diepold ist in den 30er Jahren als Kiesgrube entstanden und wird in den letzten Jahrzehnten als Angelgewässer genutzt.
Am 30.Januar 2010 kam es zu einem starken Fischsterben im Gewässer. Vertreter des Anglerverbandes der Stadt hatten uns informiert. Der fast vollständig zugefrorene See wies noch eine eisfreie Fläche von wenigen m² auf. In diesem Restloch, das am Gewässerrand mit geringer Wassertiefe und Schlammablagerungen war, befanden sich ca. 180 verendete Bleie von 30 bis 50 cm Länge, 15 Welse und 1 Hecht. Es gab keine Anzeichen von Gewässerverunreinigungen durch den Eintrag wassergefährdender Stoffe.
Eine von uns durchgeführte Sauerstoffmessung vom 01.02.2010 um 11:00 Uhr ergab:
T Luft - 0,9 °C
T Wasser - 2,7 °C
O 2 Wasser - 1,5 mg/l
Die direkte Ursache für das Fischsterben war, wie Sie auch bereits vermutet haben, die Sauerstoffzehrung unter der Eisdecke und wahrscheinlich, so die Meinung der Vertreter des Anglerverbandes, eine Stresssituation im Restwasserloch, in dem sich die Fische sammelten,und die dann zu einer weiteren, lokalen Sauerstoffzehrung geführt hat. Inwieweit Prädatoren beteiligt waren, die Schlamm eingetragen haben, konnte nicht geklärt werden.
Obwohl mit Sicherheit die lang anhaltende Kälteperiode in diesem Winter zur genannten Situation beigetragen hatte, war es für uns als Amt wichtig, das Gewässer genauer untersuchen zu lassen.
So wurde in der folgenden Vegetationsperiode die Gewässerflora bewertet. Der Biologe kam zu folgender Bewertung:
"Angelgewässer fast ohne Vorkommen von Gewässermakrophyten. Zum Zeitpunkt der Kartierung geringe Sichttiefe (10cm) durch Algenwuchs. Möglicherweise ist hier ein hoher Fischbesatz durch Karpfenartige und Pflanzenfresser der Grund. Aber auch die Praxis der Anfütterung kann im Zusammenhang mit der starken Beanglung ein Grund sein. Auffällig waren die hohen Egelabundanzen im Wasser."
Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass das Gewässer botanisch verarmt ist und die natürlichen Funktionen gestört sind. Als eine erste Maßnahme zur Verbesserung wurde mit den Vertretern des Anglerverbandes über die Fischereibewirtschaftung diskutiert und für alle Angler gültige Regeln aufgestellt. Außerdem werden wir mit dem Anglerverband ein Gewässerentwicklungskonzept erarbeiten. Als ersten Schritt haben am 22. Juni 2011 Vertreter der unteren Naturschutzbehörde und des Anglerverbandes die Schlammmächtigkeit gemessen. Die Berufsfeuerwehr hatte uns dafür ein Boot zur Verfügung gestellt.
An ca. 30 Messpunkten wurde die Schlammstärke gemessen. Die Wassertiefe betrug an diesem Tag bis zu 2,7 m (max. 3,2 m). An einigen Gewässerabschnitten war die kiesige Gewässersohle deutlich feststellbar, ohne Anzeichen von Schlamm, an anderen Stellen waren Schlammstärken von bis zu 0,5 m (max. 0,8 m) festgestellt. Eine sehr starke Verschlammung des Gewässers hat sich nach unseren bisherigen Erkenntnissen also nicht bestätigt. Die maximalwerte an Wassertiefe und Schlammmächtigkeit waren lokal an einer Stelle festzustellen, was auf einen Kolk schließen lässt.
Zwischenzeitlich haben wir diese Fragen mit einem Biologen diskutiert, der die Möglichkeit einer geförderten Maßnahme (ELER) erkunden und das Projekt auch leiten wird. (Leider wurde die Stadt nicht berücksichtigt, als im Land ein Katalog von Umsetzungsmaßnahmen im Hinblick auf WRRL aufgestellt wurde.)
Als Vorbereitung dazu wird das städtische Vermessungsamt die exakten Gewässerprofile einmessen, da unsere Stichproben nur einen unvollständigen Anhaltspunkt liefern können.
Alles Weitere werden die noch folgenden Untersuchungen zeigen.
Zur gegenwärtigen Besatz des Gewässers haben wir nur unvollständige Erkenntnisse. Neben Rotfedern (ggw. Hauptart), Bleie, Güster, Aland, Döbel und einigen Karpfen finden sich auch Hechte, Zander, Barsche, Welse und Aale.
Entschlammungsmaßnahmen sind allerdings in unserem Raum ein großes Problem wegen der Schadstoffbelastung. Besonders in den Gewässern, die mit der Mulde in Verbindung stehen, ist der Schlamm in der Regel sehr hoch belastet mit Arsen und ß-HCH, einem Nebenprodukt der ehemaligen Lindan- Produktion in Bitterfeld. Das hat zur Folge, dass die Entsorgung aufgrund der exorbitanten Kosten (Sonderabfall) nicht finanzierbar ist. Und der Diepold ist nur eines von vielen Gewässern, die uns am Herzen liegen
Ich würde mich sehr über Anregungen und Hinweise Ihrerseits freuen, die uns bei der Lösung des Problems helfen könnten.
Auch für Sie ganz herzliche Grüße
Dr. Gabriele Kegler
Amt für Umwelt- und Naturschutz
Finanzrat-Albert-Straße 2
06862 Dessau-Roßlau
Entschuldigen muss sich Frau Dr.Kegler nicht, ich denke, sie hat sehr schnell und umfassend geantwortet. Dafür gebührt Ihr mein Respekt und Dank.
Umfassend geantwortet deshalb, weil wir jetzt einen (wenn auch noch unvollständigen) Einblick in den Diepold gewonnen haben. Punkte für Diskussionsbedarf sind gegeben.
Damit Ihr einen Überblick habt, zu Lindan und ß-HCH folgendes:
Zitat:Hexachlorcyclohexan (HCH) wird seit Ende des Zweiten Weltkrieges kommerziell hergestellt. Bei der Synthese von HCH aus Benzol und Chlor entsteht ein Isomerengemisch („technisches HCH“), das sich aus 65 bis 70 Prozent Alpha-HCH, sieben bis 20 Prozent Beta-HCH, 14 bis 15 Prozent Gamma-HCH, sechs bis zehn Prozent Delta-HCH und ein bis zwei Prozent Epsilon-HCH zusammensetzt. Von diesen ist nur das Gamma-Isomer für die insektizide Wirkung verantwortlich. Als Lindan bezeichnet man das Produkt, das zu mindestens 99 Prozent aus Gamma-HCH besteht.
Die Bundesrepublik Deutschland verbot die Anwendung des technischen HCH 1977. Für Lindan besteht bis heute ein beschränktes Anwendungsverbot [BGBl., 1980 und 1986]. In der DDR war ab Mitte der 70er Jahre technisches HCH das neben Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) am häufigsten verwendete Insektizid, welches die DDR in größeren Mengen produzierte. Zudem importierte sie HCH auch aus den osteuropäischen Ländern. Zu einem sehr hohen Eintrag in die Umwelt führte auch der Einsatz des „technischen HCH“ in Wildabwehrmitteln, Nebelkerzen, Frostschutznebelkörpern und im Materialschutz, der in der DDR bis in die 80er Jahre andauerte.
Die HCH-Isomere unterscheiden sich in ihrer räumlichen und kristallinen Struktur. Generell besitzen alle Isomere eine geringe Wasserlöslichkeit, wobei jedoch Gamma-HCH um ein Vielfaches besser löslich ist als Alpha-HCH und Beta-HCH. Letzteres ist wegen seiner symmetrischen Struktur völlig unpolar, womit sich auch erklären lässt, dass sich Beta-HCH stärker im Fett anreichert, als die anderen Isomere.
Zusätzlich kommt es durch Produktionsrückstände aus der Lindanherstellung zu einer Kontamination der Umwelt. Pro produzierter Tonne Lindan entstehen etwa neun Tonnen nicht insektizidwirksamer Abfallisomere, die man früher oft unbedacht auf Deponien ablagerte. Diese Produktionsabfälle sind sehr wahrscheinlich die Hauptquelle der HCH-Kontamination von Fischen in Mulde und Elbe.
Zwischen 2004 und 2009 sanken die Werte für Beta-HCH in Brassen aus der Mulde bei Dessau kontinuierlich um etwa 95%.
Link:
Umweltdaten Mulde/Elbe
Auch gibt es 5 Studien zu diesen persistenten Chlorkohlenwasserstoffen (CKW),
die 5. Studie bezieht sich auf Überschwemmungsflächen der Mulde im Gebiet der Stadt Dessau. Seite 7 !
Studie Dessau
Eine weitere Studie bezieht sich auf Versuche mit Mikrobiellen Aktivitäten zum beschleunigten Abbau von ß-HCH. Jedoch ist der Erfolg nicht wie erhofft messbar.
Lindan
Es ist stark anzunehmen, dass diffuse kontinuierliche ß-HCH- Einträge Stillgewässer immer wieder konterminieren. Die Rückstände in Böden zeugen davon. Könnte evtl. beim Diepold auch so sein.
Landwirtschaftliche Böden sind für die Viehhaltung und Agrarerzeugung nicht umsonst gesperrt. Aus meiner Sicht würde selbst bei einer Entfernung der Schlammschicht die Belastung von Einträgen weiterhin auf Dauer gegeben sein.
Mir fällt da als Vergleich der erhöhte PCB- Dioxinwert im Rhein bei Aalen und schweizer Seen in den letzten Jahren ein.
Diese Umweltgifte waren in den Gletschern durch Niederschlag eingelagert und seit den neunziger Jahren schmelzen diese und geben Dioxin und PCB frei.
Zu Arsen:
Kann ich nur schreiben „Dito“! Periodische Hochwässer werden kaum den Schlamm im Diepold abtragen.
Weniger ein Problem der Mulde, jedoch der angrenzenden Auenstillgewässer.
In der Mulde nur bei Hochwasser durch Ausspülungen von Böden oder Auengewässer vergleichbar hoch.
Zitat:Es gibt im Bereich der Muldeaue eine hohe Arsenmobilität.
Eingriffe in den Wasserhaushalt einer Flußaue durch Deiche/Wehre und unterschiedliche Nutzungen (Landwirtschaft, Kies-/Sandgewinnung) beeinflussen die Schadstoffmobilität und Wasserqualität.
Link:
TU Berlin
Oberhalb des Dessauer Stadtwehres wird es reichlich Arsenablagerungen geben, welche zum Teil durch Hochwasser ausgespült und mit den Wassermassen in die Elbe gelangen.
Springen nicht die Lachse das Stadtwehr schon hoch?
Hoffentlich kommt es bald weg und wird durch eine Sohlrampe ersetzt.
Aber es gibt noch andere Punkte, welche Diskussionswürdig sind.
Was meint Ihr?