Wut und Trauer

Wie sehr es nötig ist fachlich den Besatz von Gewässern zu begleiten habe ich gerade wieder am eigenen Leib erfahren müssen.

Vor etwa einen Jahr bekam ich im Rahmen einer beabsichtigten Anpachtung eines ca. 7ha großen See durch meinen Verein, den Auftrag diesen auf seine Eignung als Angelgewässer zu untersuchen.

Ich kannte das Gelände, eine frühere Tongrube, in der bis zum Ende der 70er Jahre Ton zu kleinen porösen Steinchen gebrannt wurde, nur zu gut. Es war eine Kindheitserinnerung.

Daher war es mir auch eine Ehre das Gewässer zu untersuchen.

Die letzten Nachflutungen waren keine 3 Jahre her und hatten einen See entstehen lassen, der sehr scharrkantig ist und Tiefen bis zu 21m aufweist. Die frühe Entwicklungsstufe war schnell erkennbar, zumal auch über die Steilufer mit Hilfe von Regenwasser geflutet wurde.

Aber auch ein paar Flachwasserzonen waren vorhanden, in denen sich so langsam das Leben entwickelte. Ein großer Baumbestand war ebenfalls geflutet worden und machte es nicht gerade leicht Uferangelplätze zu ermitteln oder ggf. herzustellen.
Limnologisch gesehen war er auf einem guten Weg, aber noch nicht voll als Angelgewässer zu entwickeln. Gut Ding braucht halt Weile, besonders wenn es nachhaltig geschehen sollte……

Ich fand zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine Vielzahl von unterschiedlichster Fauna. Ich verbrachte dort sehr viel Zeit am und auf dem Wasser. Und meine ablehnende Haltung wurde zu einer Liebe.

Nach einem ehrlichen Vortrag über die Untersuchungsergebnisse, bei denen sogar befreundete Taucher eingebunden waren, wurde der Antrag wie erwartet mit großen Getöse und einigen unschönen Begleiterscheinungen abgelehnt.
Ich war darüber gar nicht böse, hatte aber Angst um den See und seine weitere Zukunft.

Plötzlich bot sich die Möglichkeit den See über eine private Pachtgemeinschaft anzupachten. Eine nachhaltige Entwicklung schien damit doch möglich zu sein.
15 Leute, darunter auch ich zeichneten den Pachtvertrag. Schnell war klar wohin die Reise führen sollte. Ich verlor immer weniger an Gehör.

Am Ende war da nur noch der mahnende Zeigefinger und ein ungutes Gefühl.

Ich hatte in meinen Augen die mir lieb gewordenen Bewohner verraten.
Wie bitter das zur Wahrheit werden würde, konnte ich leider in den letzten 2 Tagen erfahren.

Im See waren bis zum Herbstbesatz nur traumhafte Bestände von Rotfedern nachzuweisen. Es war eine noch nie gesehene Population.

Man entschied sich für einen Besatz mit Karpfen, Schleien, Zandern, Regenbogenforellen und Saiblingen.

Die Saiblinge, 44 an der Zahl um die 40cm, war ein Schnäppchen und quasi von einigen Fliegenfischern als Zielfisch erwünscht…….

Ich mache den Rest kurz.

Zustand der Saiblinge vor 2 Tagen:
Von 3 gefangene Exemplare waren 2 stark unterernährt
Saibling 42 cm 560 gr 0,75 K-Faktor
Saibling 44 cm 660 gr 0,77
Saibling 44 cm 750 gr 0,88

Mageninhalt war lediglich Heilbuttpellets 6mm, die ich zum Anfüttern und auch Fang nutzte. Ausser und das machte mich wirklich wütend und traurig, mit ersterem hatte ich ja schon gerechnet, bekam ich einen Kammmolch vor die Füße gekotzt und stellte eine Großlibellenlarve (vermutlich Königslibelle) als Nahrung fest.

Gestern untersuchte ich die Regenbogen. Korpulenzfaktor annehmbar bei 0,91 u. 0,92. Unterschiedliche Nahrung wurde selektiert. Forllen hatten die typische Portionsgröße um die Mitte 30.

Sie schienen angepasst, auch wenn sie sofort Mais und Pellets aufgenommen hatten.
Leider auch hier Großlibellenlarven.

Ich gab meine Ergebnisse bekannt und die Reaktion war beinahe voraussehbar. Die Sorge galt natürlich den Fischen, was hatte ich wohl erwartet? Und auch der Ernährungszustand der Saiblinge wurde mit dem langen und kalten Winter begründet (geringer Stoffwechsel=großer Verlust von Biomasse). Auf meinen Einwand hin, dass gerade die Saiblinge bereits sehr gut im kalten Wasser Nahrung aufnehmen können und auch als guter Verwerter gelten bekam ich dann keine Antwort mehr.

Auch war ich sicherlich froh über die entsprechende Anpassung der Regenbogenforellen, aber zu welchem Preis.

Wir verfügen nach wie vor über traumhafte Rotfederbestände in allen Größen, die aber anscheinend als Schwarmfisch für die Forellen nicht zu fangen sind.
Typisches Adaptierungsproblem der Limnoökologie.

Ich habe gestern meinen Job in der fachlichen Begleitung des Gewässers gekündigt und beobachte nun für mich den Fortgang.
Eine meiner letzten Worte war die Warnung, ein solches komplexes Ökosystem nicht durch Experimente und Versuche zu zerstören. Wohl zu spät.

Noch gibt es dort Kormorane (deren Abschuß ist auch beschlossen), Kanadagänse, Blesshühner, Haubentaucher, verschiedene Entensorten, Fischadler und Eisvögel.
Auch konnte ich 3 Schlangenarten im letzten Jahr nachweisen. Kreuzotter, Blindschleiche und Ringelnatter. Die waren sicherlich über den breiten Amphibienbestand mehr als nur erfreut.

Für mich auch eine bittere Lehre und ein Lehrbuchbeispiel für den Konflikt Angler gegen nachhaltige Gewässerentwicklung.

Das hier geschriebene dient mir mehr zur Frustbewältigung und Neulingen unter uns als Warnung, dass Dinge auch so eintreten können, wie man befürchten darf.
Ginge es einfach um nen blöden Fischteich, wäre es nicht so schlimm, so aber…….

Andreas