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Thema: Von der Quelle zur Mündung

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    GW-Forum Team Avatar von Thomas
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    Von der Quelle zur Mündung

    Von der Quelle zur Mündung – fischereibiologische Zonierung von Fließgewässern, Gewässergüteklassen und Saprobie


    Ein Hauptunterschied zu stehenden Gewässern ist ökologisch, dass es sich bei Fließgewässern um offene Ökosysteme handelt – energetisch ereignen sich beständig Stoffeinträge und Stoffausträge.

    Eine weitere Differenzierung ergibt sich aus den Mechanismen, die ökologisch zu einer Einteilung herangezogen werden.

    Während man bei stehenden Gewässern die Trophiestufe betrachtet, gewissermaßen die im Ökosystem befindliche Energiemenge, die für Aufbauprozesse zur Verfügung steht, betrachtet man zur Einteilung von Fließgewässern das genaue Gegenteil, nämlich die durch Abbauprozesse hervorgerufene Belastungsstufe, die sog. Saprobie .

    Über die Erhebung des Vorkommens von Indikatororganismen lässt sich für einen betrachteten Fließgewässerabschnitt ein sog. Saprobienindex errechnen, der Auskunft über die Belastungsschwere gibt.

    Interessierte lesen hier mehr über das Saprobiensystem :
    http://de.wikipedia.org/wiki/Saprobiensystem

    Die Ermittlung des Saprobienindexes führt zu einer Einteilung der Fließgewässer in sog. Gewässergüteklassen, hier eine Übersicht zur Einstufung:



    2.1 Gewässergüteklasse IV
    In dieser Gewässergüteklasse ist das Wasser durch Abwassereinleitungen übermäßig
    verschmutzt. Das Wasser ist polysaprob. Hier laufen Fäulnisprozesse durch organische sauerstoffverzehrende Substanzen ab, daraus ergibt sich ein sehr geringer Sauerstoffgehalt. Der Ammoniumgehalt ist sehr hoch. Es wird Schwefelwasserstoff gebildet. Das Gewässer hat einen unangenehmen Geruch.
    Der Boden besteht aus Faulschlamm.
    In amtlichen Gewässergütekarten ist die Kennfarbe rot (Baur 1997; Klee 1990).

    2.2 Gewässergüteklasse III
    Dieses stark verschmutzte Gewässer ist alpha-mesosaprob. Das Wasser ist einer starken organischen Belastung infolge sauerstoffverzehrender Abbauvorgänge ausgesetzt.
    Daher ist der Sauerstoffgehalt gering, zudem kommt es zu tageszeitlichen
    Schwankungen. Die Vielzahl der Lebewesen sind Mikroorganismen. Es kann aufgrund des Sauerstoffmangels zu Fischsterben kommen. Teilweise riecht dieses Wasser leicht faulig.
    Lokal kommt es zu Faulschlammbildung. Die Unterseite von Steinen ist durch Eisensulfid schwarz gefärbt.
    Die Kennfarbe ist gelb (Baur 1997; Klee 1990).

    2.3 Gewässergüteklasse II
    Diese Güteklasse ist durch organische Abbauprozesse mäßig belastet und beta-mesosaprob. Das Wasser ist häufig klar, kann durch starke Algenbildung aber auch getrübt sein. Das Nährstoffangebot und der Sauerstoffgehalt sind gut. Der Sauerstoffgehalt ist schwankend und wechselt zwischen Defizit und Überschuss. Der Ammoniumgehalt ist gering. In diesem Bereich leben viele Arten, auch höhere Pflanzen
    und verschiedene Fischarten.
    Der Boden ist steinig, kiesig, sandig oder schlammig. Es gibt keinen Faulschlamm mehr.
    Dunkelgrün ist die Kennfarbe (Baur 1997; Klee 1990).

    2.4 Gewässergüteklasse I
    Das Wasser der Gewässergüteklasse I ist unbelastet bis sehr gering belastet und oligosaprob. Das Wasser ist nährstoffarm und hat einen hohen Sauerstoffgehalt, ist annähernd gesättigt. Der Ammoniumgehalt ist sehr gering, meist nur in Spuren vorhanden. Es gibt in diesem Bereich viele Insektenlarven und sauerstoffbedürftige Fischarten.
    Steiniger, kiesiger und sandiger Boden ist in dieser Region zu finden.
    Die Kennfarbe ist dunkelblau (Baur 1997; Klee 1990).

    ~~~

    Quellennachweis: Biologische Indikatoren zur Bestimmung der Fließgewässergüte, Therese Kurz 2006
    (s.a.: http://www.gw-forum.de/showthread.ph...=1851#post1851)



    Einteilen lässt sich aber auch über ein fischereibiologisches Zonierungssystem, das an das Hauptvorkommen von Leitfischarten gekoppelt ist.

    Hiermit wollen wir uns im folgenden näher beschäftigen und betrachten ein Fließgewässer von der Quelle bis zu Mündung.



    1. Quelle

    Im Quellabschnitt liegt die Wassertemperatur sehr niedrig, das Wasser ist darüber hinaus ausgesprochen nährstoffarm.
    Aus diesem Grund sind so gut wie keine Nährorganismen für Fische zu finden, somit fehlen diese auch meist im Quellbereich.


    2. Forellenregion

    Die auf den Quellbereich folgende Region ist die Forellenregion, benannt nach der charakteristischen Leitart Bachforelle.

    Das Quellwasser kühlt den Abschnitt sommers und wärmt ihn winters, das Wasser ist klar, sommerkalt meist unter 10 ° C. und sauerstoffreich.
    Im Bachbett herrschen Strömungsgeschwindigkeiten von meist mehr als 1m/sec.

    Der Querschnitt durch ein Fließgewässer der Forellenregion ...

    Graphik fehlt

    ... zeigt eine von Grobgeröll bedeckte Gewässersohle, ist also felsig-steinig bis kiesig.

    Neben dem in der Abbildung dargestellten Typus ‚Gebirgsbach’ existiert noch der nicht abgebildete Typus ‚Wiesenbach’, in dem Grobgeröll und Sohlenschnitt deutlich mittig liegen.

    Neben der Leitfischart Bachforelle stellt sich die Begleitfischart Koppe (Groppe) ein. Die Forellenregion ist darüber hinaus Lebensraum für das Bachneunauge und Laichgebiet für die anadromen Wanderer Lachs und Huchen.

    Unser nächstes Augenmerk werfen wir nun auf sog. (tierische und pflanzliche) Indikatororganismen, die für die in der Forellenregion auftretende Saprobie , Gewässergüteklasse und fischereibiologische Zonierung typisch sind.

    An Tieren finden wir Lidmückenlarven (Liponeura), Flussnapfschnecken (Ancylus fluviatilis) und Weiße Strudelwürmer (Dendrocoelum lacteum).

    Charakteristische Pflanzen der Forellenregion sind Quellmoose (Fontinalis sp.) und der Wasserstern.

    Weiter abwärts wird der Bach allmählich zum Fluss, wir gelangen in die


    2. Äschenregion

    Graphik fehlt

    Ein kleiner Flusslauf ist entstanden, mehrere Bäche haben sich vereint und fließen mit einer Geschwindigkeit von nun unter 1m/sec in Richtung Bestimmungsort.

    Das Wasser ist weiterhin prinzipiell kühl und sauerstoffreich, kann sich sommers aber bis zu 18 ° C. erwärmen.
    Das Bett hat sich verbreitert, die Sohle ist nun kiesig-sandig mit einzeln verstreuten Steinen.

    Neben unserer Leitart Äsche tummeln sich die Begleitarten Döbel, Nase, Elritze, Schneider, Gründling und Schmerle in der Äschenregion.

    Charakteristische Tiere der Äschenregion sind die lichtscheuen Steinfliegenlarven (Plecoptera) und Kugelmuscheln (Sphaerium spec.).

    Steinfliegenlarven benötigen bis zu 3 Jahre Entwicklungszeit bis zum Schlupf des Imagos, daher lassen sich an älteren Exemplaren trefflich Aussagen zur Gewässergüte ableiten.

    Laichkraut (Potamogeton spec.) ist die charakteristische Begleitpflanze der Äschenregion, dessen reich verzweigter Wurzelstock namensgebend ist und seine Bedeutung für Fische verrät.

    Nach weiterer Verbreiterung und Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit bereisen wir gedanklich bereits die


    3. Barbenregion

    Graphik fehlt

    Das Wasser in dieser Region ist noch sauerstoffreich, aber bereits eingetrübt. Sommers können Temperaturen bis zu 20 ° C. erreicht werden.

    Die Gewässersohle ist kiesig bis sandig, das Flussbett tief mit Flachbereichen. In von der relativ starken Strömung beruhigten Bereichen können sich erste Schlammbänke bilden, die Barbenregion ist tier- und pflanzenreich.

    Neben der Barbe finden wir in diesem Bereich zusätzlich Hasel, Ukelei, Gründling, Barsch, Aal, Rapfen, Rotauge und Rotfeder.

    Tierische Bioindikatoren für die Zugehörigkeit zur Barbenregion sind nochmalig Steinfliegenlarven (Plecoptera), die bis zu 6 cm langen Rollegel (Erpobdella octoculata – s. Artname achtäugig!), Köcherfliegenlarven (Trichoptera), Bachflohkrebse (Gammarus spec.) und Große Schneckenegel (Glossiphonia complamata).


    Wir verlassen die Barbenregion und gelangen bereits zur vorletzten Region, der


    4. Brassenregion

    Graphik fehlt

    Der Fluss fließt inzwischen breit, trüb und träge dahin. Die Gewässersohle ist zunehmend verschlammt, der Sauerstoffgehalt schwankend, da sommers bereits Temperaturen deutlich überhalb der 20 ° C. erreicht werden können.

    Nährstoffgehalt, Gewässergüte wie Saprobienindex liegen nun bereits in höheren Bereichen.

    Zur Leitfischart Brachsen gesellen sich Güster, Hecht, Barsch, Aal, Karpfen, Schleie und Wels. Die Fischartengemeinschaft erinnert an die stehender Gewässer.

    Die Begleitvegetation der Brassenregion besteht aus Wasserpest, Tausendblatt, gelber Teichrose, uferwärts 'Kraut', Rohrkolben u. Schilf.
    Tierische Indikatororganismen zur Region sind der Rote Schlammröhrenwurm (Tubifex tubifex), Bachflohkrebse (Gammarus pulex), Wasserasseln, Rote Zuckmückenlarven (Chironomiden) und Schlammschnecken.

    Tubifex zeigt bereits hohe organische Belastung auf, die Gewässergüteklasse liegt korreliert bei etwa 3,5.

    Nun ist die Entfernung zum Bestimmungsort, dem Meer, nicht mehr weit.

    Mit der


    5. Kaulbarsch-/Flunderregion

    Graphik fehlt

    gelangen wir bereits in den von den Gezeiten beeinflussten Mündungsbereich der großen Flüsse.

    Die Strömungsgeschwindigkeit ist sehr niedrig oder kommt sogar zum Erliegen, hier mischt sich Süß- und Salzwasser zum Brackwasser. Über entsprechende Wetterlagen können stärkere Schichten von Salzwasser in den Mündungsbereich gedrückt werden.

    Das Wasser ist sehr trüb, sauerstoffarm und ausgesprochen nährstoffreich.

    Neben den Leitfischarten Kaulbarsch und Flunder finden wir als Begleitfischarten Stint, Zander, Finte, Aal, Dreistachliger Stichling und Güster.

    Allen Arten ist gemein, dass sie sich an den Salzgehalt des Wassers, physiologisch durchaus anspruchsvoll, anpassen können – Ökologen nennen solche Arten euryhalin.

    Die meerwärts abgelagerten und mitgetragenen Schlammschichten können hier mitunter mächtig sein.
    In ihnen fühlen sich Tubifex und Rote Zuckmückenlarven ausgesprochen wohl.

    Letztere bewohnen alle Gewässergüteklassen, es zieht sie aber bevorzugt in die stark belasteten Bereiche.
    Über das in ihrem Blut vorkommende Hämoglobin sind sie an sauerstoffarme bis anaerobe Bereiche bestens angepasst.

    Höhere Pflanzen fehlen in der Kaulbarsch-/Flunderregion vollständig.



    Damit haben wir das Ende unserer gemeinsamen Flussfahrt erreicht – das offene Meer.
    Geändert von Thomas (09.01.11 um 12:00 Uhr)
    ~~~

    Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.
    (Aphorismus von G.C. Lichtenberg)


    Gruß Thomas

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